Aber vom Zufall des Gelesenen hängt es ab, was du bist

Bücher laufen einem zu wie streunende Hunde, hat Harry Rowohlt mal gesagt. Lektüre ist, in ihrer besten Form, ein anarchisch-evolutionärer Vorgang. Dass alles mit allem dann doch irgendwie zusammenhängt, merkt man erst hinterher und kann sich freuen, selbst einen Reim drauf gemacht zu haben.

Darum halte ich das Antiquariat für eine großartige Bildungseinrichtung und die Ramschkiste vielleicht für die größte. Selbstverständlich sind Twitbook und Facetube ins Gigantische vergrößerte Ramschkisten, in denen unfassbare Mengen an Kuriositäten an uns vorüberströmen. Aber gerade das Unzeitgemäße am Antiquariat macht seinen Wert aus. Diese vergessenen Bücher aus der Ramschkiste sind Zeitkapseln, die auf völlig andere Zusammenhänge verweisen und so den Trends der Gegenwart und dem Druck der Popularität entgegenstehen.

Inzwischen ist auch das Interwebs etwas Althergebrachtes. Seine in den letzten Jahren am stärksten in den Vordergrund gestellte Eigenschaft ist gleichzeitig die älteste: Der soziale Charakter. Es ist ein potenziertes Telefonnetz. Leute können sich mit Leuten austauschen und dabei immer größere Datenmengen verschieben. Dass dabei auch Buchstaben als Text vorkommen, ist tatsächlich nebensächlich und wahrscheinlich nur vorläufig.

Eine Erkenntnis, zu der auch Edlira Shehu und Tim Prostka mit ihrer Studie zum Leseverhalten auf elektronischen Lesegeräten gekommen sind:

Nur wenn es gelingt, E-Book-Angebote so zu konzipieren, dass sie im Wettbewerb um das beschränkte Zeitbudget der Leserinnen und Leser bestehen können, kann die Nachfrage nach Buchinhalten langfristig erhöht werden. Anderenfalls werden E-Book-Nutzerinnen und Nutzer ihre Geräte zukünftig weniger zum Lesen von E-Books nutzen, sondern auf alternative Angebote wie etwa Facebook zurückgreifen.

Es wird nicht gelingen, weil Telefone keine Bücher sind. Den Antiquar wird es freuen.

Hinterlasse einen Kommentar